b.b.m.
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February 28, 2010
Als Leonid Iljitsch Breschnew im November 1982 starb, nahm er nach vielen, unendlich erscheinenden Jahren an der Spitze der UdSSR und des Ostblocks eine eher ruhige Etappe in deren Geschichte mit ins Grab an der Kremlmauer. Der aussenpolitischen Vorteil, den sich die Staaten des Warschauer Vertrages durch die Niederlage des Imperialismus in Vietnam, einem farblosen US-Praesidenten Jimmy Carter und den Beitritt zahlreicher nationaler Befreiungsbewegungen zum sozialistischen Weltsystem verschafften, konnte in den spaeten 70er und 80er Jahren in innenpolitische Beschaulichkeit umgesetzt werden. Diese Stagnation hatte viele schoene Seiten. So hatte zwar nicht jeder ein Auto, der gern eins wollte oder musste 10 Jahre auf ein solches warten, aber dafuer gab es Parkplaetze fuer alle. Die Inkarnation des Gegners jeglicher Veraenderungen und damit groessten Fan der Stagnation, Klaus Peters Vater, war dieser Ueberfluss Grund genug, ein Stueck Strassenland als ’seinen’ Parkplatz zu betrachten und dieses auch zu verteidigen. Als Angehoeriger der bewaffneten Organe hatte er im Kleinkrieg gegen nachbarschaftliche Eindringlinge ganz klar die besseren Karten. Heute mag das laecherlich erscheinen, im kleinbuergerlichen Mief der sozialistischen Haelfte Deutschland allerdings alles andere als ungewoehnlich. Breschnews Fellmuetze war ausgesprochen beliebt. Nicht nur Erich Honecker und Klaus Peters Vater besassen ein solches Modell, es gibt auch ein Foto vom minderjaehrigen Klaus Peter, auf welchen er die sehr kleine bronzende Baerenstatue im Tierpark Berlin nur mit Hilfe dieser Fellmuetze ueberragt. Ob Breschnews politischer Nachfolger Juri Wladimirowitsch Andropow ebenfalls eine solche Muetze besass, ist sehr wahrscheinlich, entzieht sich aber der Erinnerung. Andropow war der Mann mit der strengen Nerdbrille. Aenderungen waren vom Ex-KGB-Chef nicht zu erwarten. Allerdings starb auch er nach knapp 1,5 Jahren im Amt. Von seinem Nachfolger ist nicht einmal in Erinnerung geblieben, ob er denn ueberhaupt eine Brille hatte. Konstantin Ustinowitsch Tschernenko ueberlebte das Amt den maechtigsten Mannes der oestlichen Hemisphaere kein ganzes Jahr. Sein Ableben sorgte hinter vorgehaltener Hand Klaus Peters Mitschueler zur Erheiterung und dummen Witzen. Klaus Peter war hauptsaechlich genervt, da er zu dieser Zeit den verantwortungsvollen Posten des Wandzeitungsredakteurs bekleidete und entgegen jeglicher Regeln der Stagnation haeufig umdekorieren musste. Von einer echten Stagnation kann bei diesen vielen abrupten personellen Veraenderungen ohnehin keine Rede sein. Als Klaus Peters Klasse im Sommer 1985 eine Fahrt in die Hauptstadt der Ukrainischen Sowjetrepublik Kiew unternahm, gehoerte zu den wesentlichsten und spuerbarsten Neuerungen, die der neue Partei- und Staatschef Michail Sergejewitsch Gorbatschow durchgesetzt hatte, das allumfassende Alkoholverbot. Ausserhalb des Hotels Alkohol zu bekommen war unmoeglich und innerhalb diesen aus verschiedenen Gruenden ausgsprochen schwierig. Zum einen war die Gefahr der Entdeckung in der Naehe der Begleitpersonen ungleich hoeher, das Angebot im Hotel eingeschraenkt und die Preise wie in gastronomischen Einrichtungen ueblich fuer ostdeutsche Schueler fast unerschwinglich. In Klaus Peters Erinnerung wird dieser Alkoholmangel maessig ausgeglichen durch Einladungen einer Gruppe amerikanischer Studenten im gleichen Hotel, welche allerdings vornehmlich an weiblichen Mitschuelerinnen ausgesprochen wurden. Gorbatschow hat also durch sein unmotiviertes Alkoholverbot nicht nur das Ende des Sozialismus eingelaeutet, sondern auch irgendwie Klaus Peters Klassenfahrt um einiges an Attraktivitaet beraubt. Im rassistischen Vorurteil der Ostdeutschen zu jener Zeit war ein Russe uebrigens einer, der staendig besoffen war. Das der statistische Pro-Kopf-Alkohol-Konsum der DDR hoeher als der in der Sowjetunion war, wurde mit Schwarzbrennerei oder dem Genuss von Ersatzsubstanzen, wie beispielsweise Koelnisch Wasser, begruendet. Gobatschows Alkoholverbot naehrte dieses Stigma. In diesem Kontext moegen im Nachhinein auch die Gorbi-Buttons, welche von DDR-Dissidenten als Manifest ihrer Unbotmaessigkeit gegenueber den Staatsorganen getragen wurden, eigenartig ambivanlent erscheinen. Wie sich die DDR-Staatorgane zu den Buttons verhalten haben, ist Klaus Peter uebrigens nicht bekannt, da er keinen trug. Getragen haben den allerdings durchaus Punker in der KvU auf Lederjacken neben anarchistischen Zeichen und im Zustand der Volltrunkenheit. Die Botschaft von dessen allumfassenden Alkoholverbot war bis zu ihnen offensichtlich noch nicht vorgedrungen.
b.b.m.
June 13, 2010
Laut mmmatze hat eine weniger bekannte buergerliche Zeitung dazu aufgerufen, denkwuerdige WM-Erlebnisse der Vergangenheit zusammenzuschreiben. Diesem Aufruf leiste ich hiermit Folge, nicht weil das Erlebnis besonders denkwuerdig oder aussergewoehnlich waere, sondern weil die Geschichte von der Fussball-WM 2006 bereits fertig geschrieben war. Unabhaengig davon denke ich seit einiger Zeit ueber die Fussball-WM 1990 nach und versuche mich zu erinnern. Eventuell gibts demnaechst hier zu lesen, wie alles begann – die Flaggen, der nationale Taumel, schwarzrotgoldene Autokorsos, normale Deutsche, die ihren Chauvinismus auslebten. Aber auch, wie versucht wurde, diesem Spuk etwas entgegenzusetzen und Kartoffeldeutsche abgestraft wurden. Du darfst also gespannt sein. Hier erstmal das denkwuerdige Erlebnis von der letzten WM.
Es war waehrend eines der letzten Spiele der Fussball-WM. Der deutsche Ueberfussballer hatte bereits verloren und der Traum vom Weltmeister war ausgetraeumt. Sie sind wohl gerade dritter geworden, wie die Jungs mit migrantischem Hintergrund begeistert zu verkuenden wissen. Am Besarinplatz bemuehen sich einige Vermummte um das Aufstapeln von Baumaterial und wenig spaeter einige Polizisten um das Entfernen des selbigen. Letzteres ging uebrigens deutlich schneller. Ich lasse mich vom Muessiggang durch den Scenebezirk treiben. Vier Personen streiten sich lautstark mit einer fuenften, ich beobachte das interessiert eine Weile. Es sind deutliche Insignien schwarzrotgeiler Kartoffelfans zu sehen, insofern geht es mich vermutlich nichts an. Als die Vier jedoch beginnen, auf den Fuenften einzuschlagen, dieser geht kurz zu Boden und wird getreten – an dieser Stelle halte ich es fuer meine sportliche und irgendwie auch moralische Pflicht, eine Schlichtung vorzunehmen. Die Situation ist recht unuebersichtlich, alle ( einschliesslich mir ) wirken alkoholisiert. Ausserdem wurde die Polizei gerufen, welche sich bereits im Anmarsch befindet. Ich gerate in die Kritik der vier, haette sie angeblich geschlagen. Ein Frau mit deutschem Loser-Halstuch zeigt mir ihre Verwundung am Bein, welche angeblich von mir stammen soll. Behauptet Sie und wird sie auch der Polizei gleich sagen wollen. Ich verstehe das alles nicht. Irgendwie kommt dann raus, dass der Fuenfte, auf den sie geschlagen haben, sie als ‚Naziwichser‘ bezeichnet und eine Waffe gezogen haben soll. Letzteres ist natuerlich schlichter Unfug, in der Hand haelt er eine Digicam, welche kaum als Waffe dienen kann. Ersteres macht ihn mir jedoch deutlich sympathischer und ich beginne, das Ganze irgendwie einordnen zu koennen. Ich versuche ihn mehrfach davon zu ueberzeugen, dass er jetzt schnell gehen soll, da die Bullen gleich da sind. Die 4 Deutschtuemler haette ich sehr gern an einer Verfolgung gehindert. Leider geht er nicht. Aber ich gehe, da eine Diskussion mit der nahenden Polizei ueber verletzte Damenbeine und sonstige Hirngespinste nicht zu meinem Abendprogramm gehoeren soll. Die Polizei kommt, der ‚Fuenfte‘ versucht sich in das Haus zu fluechten, welches als die Antideutschen-WG bekannt ist. Es tut mir leid, die Situation war mir erst zu spaet klar. Waere er doch einfach gegangen …
b.b.m.
June 26, 2010
Zu den letzten Versuchen der bereits untergegangenen DDR im Herbst 1989 nonkonforme Demonstrationen aufzuhalten, gehoerte eine eigenwillige Mischung aus Zersetzung und Dialog. Entgegen der heute ueblichen Meinung war ‘Zersetzung’ zumindest in den 1980er Jahren das ausschliessliche Mittel der Staatsicherheit im Zweikampf mit der Opposition. Nach dem Wechsel an der Spitze des Zentralkomitees der SED im Oktober 1989 wurde auch bis dahin ungewoehnlicher Wille der politischen Elite zum Dialog mit allen Gruppierungen verkuendet, welchen sich der ewig laechelnde Egon Krenz aber vermutlich eher als kosmetische Massnahme vorstellte. Bei einer dieser Demonstrationen vom Alexanderplatz Richtung Staatsratsgebaeude, bei der es auch vermutlich um irgendetwas ging, was aber niemande wusste oder gar interessierte, wurde die Demonstrant_innen auf der Spreebruecke am Nikolaiviertel von einem einzelnen Lada der Volkspolizei mit Blaulicht blockiert und es gab einige freundliche Megaphoneworte, die anwesenden Buerger wurden darauf hingewiesen, dass sie sich auf einer illegalen Demonstration befinden. Diesen kurzen Moment der Verwirrung nutzen die sehr vielen am Rand wartenden Maenner mittleren Alters in Zivil und streuten sich unter die Demonstrantion. Nun wuerde jede/r Leser_in, welche/r durch die harte Schule des ZDF-Magazins gegangen ist, jetzt von den Buetteln des Unrechtsstaates Schuesse oder zumindest brutale koerperliche Gewalt erwarten. Nichts davon geschah. Die Demonstrant_innen wurde von den mutmasslichen Stasi-Maennern in Gespraeche verwickelt, welche mit offenen Fragestellungen wie: ‘Warum sind sie denn hier?’ , ‘Sie sind doch bestimmt Studenten, wollen Sie den Arbeiterstaat zerstoeren?’ eingeleitet wurden. Die Taktik funktionierte, da viele der Protestierenden ein ausgesprochen hohes Mitteilungsbeduerfnis hatten. Vergleiche mit heutigen Demohippies mit dem zwanghaften Hang zum Gespraech mit den Bullen draengen sich foermlich auf. Die Demonstration verlor sich im Dialog und die Stasimaenner verschwanden nach und nach.
b.b.m.
August 17, 2010
Den groessten Anteil der auslaendischen Vertragsarbeiter_innen in der DDR, welche aus 39 Staaten kamen, bildeten Menschen aus der Sozialistischen Republik Vietnam. Diese waren seit den 1970er als billige Arbeitskraefte in das Bruderland DDR geholt und geschickt worden und lebten meist isoliert in Wohnheimen. Mit der Abwicklung der DDR-Kombinate durch die Treuhand Anfang der 1990er Jahre waren sie es, die als erste ihre bis dahin durch Staatsvertraege gesicherten Arbeitsplaetze verloren und sich selbst ueberlassen wurden. Zusaetzlich verschaerft wurde ihre Situation durch den offenen Rassismus der Bevoelkerung der Ex-DDR und Schikanen der Behoerden, Vietnames_innen waren taeglich der doppelten Bedrohung durch Nazis und Bullen ausgeliefert. Die Zustaende in den Wohnheimen wurden durch Ueberbelegung unertraeglich, zu den ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter_innen wurden neue Fluechtlinge in diesen untergebracht. Mehrere hundert Personen, welche sich eine Etagenkueche teilten, wurden zum Normalfall. Etwa 1995 begannen die deutschen Behoerden, die Wohnheime aufzuloesen und Vietnames_innen nach Vietnam abzuschieben. Dabei spielte es keine Rolle, ob diese als Fluechling nach der Wende in das wiedervereinigte Deutschland gekommen waren oder bereits viele Jahre in der DDR lebten. Klaus Peters Umfeld hatte zu dieser Zeit lockere und eher private Kontakte zum Freundschaftsverein ‘Reistrommel’, welcher sich um soziale und rechtliche Betreung von Vietnames_innen bemuehte. Ueber diesen kam ein Kontakt zu Bewohner_innen des Wohnheims Rhinstrasse in Lichtenberg zustande. Ein weiterer grosser Heimkomplex an der Gehrenseestrasse in Hohenschoenhausen war gerade aufgeloest worden und die Menschen von dort wurden in die ohnehin voellig ueberfuellte Rhinstrasse verfrachtet. In dieser Situation fanden fast taeglich Razzien und Durchsuchungen durch die Polizei statt, meist auf der Suche nach Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung oder Zigaretten ohne Steuermarke. Ein Zimmer in diesem voellig ueberfuellten Heim kostete mehrere hundert DM Miete, eigene Kochgeraete waren verboten. Ausserdem waren viele der Fluechtlinge verschuldet, da sie fuer die Ueberfahrt nach Deutschland hoehere Summen an Schlepper zahlen mussten. Im Sommer 1996, kurz vor Aufloesung des Heimes Rhinstrasse, eskalierten Razzien mehrfach in Krawallen. Die Bewohner_innen des Heims setzen sich gegen die Schikanen durch die Polizei mit dem Mut der Verzweiflung zur Wehr. Klaus Peters Umfeld gehoerte zu den wenigen Nichtheimbewohner_innen, welche sich einigermassen aktiv an diesen Auschreitungen beteiligten. Die uebrige Linke glaenzte durch Ignoranz. Hier enstanden auch vermutlich die Kontakte zu einer groesseren Gruppe Vietnames_innen, welche nicht vorhatten, sich abschieben zu lassen und planten, sich illegal aus den Heimen abzusetzen. Klaus Peter unterhielt zu dieser Zeit noch taktisch gepraegte Beziehungen in die Friedrichshainer Hausbesetzerszene und versuchte dort um Wohnraum und Aufnahme fuer die von Abschiebung bedrohten zu werben. Erwartungsgemaess endete bei vielen Alternativprojekten die internationale Solidaritaet an der eigenen WG-Tuer und die meisten Ex-Hausbesetzer lehnten das Ansinnen ab. Drei Hausprojekte stellten allerdings teilweise erheblichen Wohnraum zur Verfuegung. In einem Haus noerdlich der Frankfurter Allee konnte eine gesamte Etage fuer die neuen Bewohner_innen vorgesehen werden. Da die Wohnheime in der Rhinstrasse von eingesetzten Blockwarten und auch Zivilbeamten beobachtet wurden, musste der Umzug einigermassen dezent und geplant vollzogen werden. Dabei waren die wenigen Besitztuemer der ca. 20 Frauen und Maenner, welcher zur Umzugsgruppe gehoerten, in 3 Kleinbussen schnell transportiert. Die Vietnames_innen wurden in mehreren Autos verteilt zum besagten Haus gefahren. Hier fand eine Art Kickoff im damals noch im Aufbau befindlichen Hauscafe statt. Klaus Peters Umfeld versuchte den neuen Hausbewohner_innen in der ersten Zeit bei der Einrichtung und Austattung der Wohnungen behilflich zu sein. Regelmaessige gemeinsame Abende in der trotzdem eher provisorischen Heimat folgten, allerdings waren die sprachlichen Barrieren teilweise erheblich. Als Dolmetscher musste haeufig ein aelterer Mann aushelfen, welcher bereits in den 80er Jahren aus Vietnam in die DDR gekommen war. Dieser strahlte eine gewisse Authoritaet aus und wurde von der Gruppe akzeptiert, obwohl er gar nicht bei ihnen wohnte, sondern ebenfalls ueber den Reistrommel-Verein zu ihnen gefunden hatte. Einige der Vietnames_innen verdienten sich ihren Lebensunterhalt mit dem Verkaufen von steuerfreien Zigaretten am S-Bahnhof Pankow. Hier wurden sie von einer Bande deutscher Trunkenbolde schikaniert, welche ihnen Geld und Zigaretten stahlen und ihren Hund auf sie hetzten. Die Rechnung ohne den Wirt gemacht zu haben hiess in diesem Fall, dass sich die Rassistentruppe nach einiger Zeit mit einer proletarischen Abreibung konfrontiert sah. Der Hund wurde nie wieder gesehen, die vegan orientierten Leser_innen moegen mir verzeihen, und die Rassisten suchten sich eine neue Homezone und Hobby. Diese Intervention geschah allerdings ohne Wissen der meisten Vietnames_innen, welche sich natuerlich ueber die verbesserte Situation am S-Bahnhof freuten. Im Laufe der Zeit traten neben den sprachlichen Barrieren auch kulturelle Unterschiede auf. So wurde nach einem zu ausgelassene Abend mit vermutlich zuviel Alkohol ploetzlich Geschlechtertrennung vollzogen, die vietnamesischen Frauen sollten nun allein in der Kueche essen. Der Grund fuer dieses offensichtliche Missverstaendnis konnte nicht restlos geklaert werden, fuehrte aber zu deutlichem Unbehagen in Klaus Peters Gruppe und liess die Besuche seltener werden. Die Vietnames_innen wohnten noch einige Zeit in den Friedrichshainer Haeusern, bis ihnen der Auszug nahegelegt wurde. Ob dabei die als Grund angegebenen Gluecksspiele um hoehere Geldsummen taetsaechlich stattgefunden haben oder sich die alternativen Hausbesetzer einfach nur von der manipulierten Mafia-Paranoia anstecken liessen, entzieht sich der Kenntnis des Autors.
Bleibt zu hoffen, dass zumindest einige den Sprung in ein menschenwuerdiges Leben nach ihren Vorstellungen geschafft haben.
_Das besagte Haus gibt es heute noch als Projekt, die Kickoff-Baustelle ist ein unregelmaessig geoeffnetes Antifa-Cafe, die Plattenbauten in der Rhinstrasse sind Bauarbeiterhotels oder abgerissen und Klaus Peters sonntaegliche Trainingsrunde fuehrt an der Gehrenseestrasse und der Rhinstrasse vorbei. Dabei entstanden auch diese Erinnerungen, weil zuviel Zeit.
b.b.m.
October 25, 2010
Ingo Hasselbach war als Kind eines Kommunisten in der spaeten DDR gestrauchelt und wegen eines Bagatell-Delikts im Knast gelandet. Nur wenige Details unterschieden seinen Lebenslauf bis zur Wende von dem Klaus Peters. Eines dieser wenigen Details war die rechtsextreme Orientierung Hasselbachs, waehrend Klaus Peter alles moegliche, aber niemals ein Nazi war. Die erste Begegnung hatte Klaus Peter mit Ingo Hasselbach am 30. Januar 1990, als Hasselbach, Frank Lutz und weitere Fuehrungspersonen der neugegruendeten Nazipartei “Nationale Alternative” auf eine der ersten Ostberliner Antifaschistischen Gruppen traf, die sich den Rechtsextremisten in den Weg stellten und den militanten Antifaschismus propagierten.
Im Verlauf der naechsten Jahre sollte es mehrere Begegnungen zwischen Klaus Peter und Ingo Hasselbach geben. Eine der schwersten Zwischenfaelle war ein Ueberfall einer Gruppe von Faschisten, angefuehrt von Hasselbach, nachts in ein neu besetztes Haus in der Kreutziger Strasse einstieg und versuchte, die Tuer, hinter der Klaus Peter schlief, einzutreten. Der Versuch misslang, eine Mitbewohnerin wurde allerdings von den Nazis geschlagen und schwer verletzt – zur politischen Rechnung kam die persoenliche. Einiges von dem, was Ingo Hasselbach und seinen Kumpanen in diesen Jahren wiederfuhr, war vielleicht auch als Genugtuung fuer den Angriff jener Nacht zu verstehen.
Als die starke Ostberliner Nazisszene in sich zerfiel und sich viele ihrer Protagonisten ins Privatleben zurueckzogen, beschloss Ingo Hasselbach gemeinsam mit dem Filmemacher Winfried Bonengel, nachtraegliches Kapital aus der Nazikarriere zu ziehen. Hasselbach wurde als einer der ersten und bekanntesten ‘Aussteiger’ aus der Naziszene aufgebaut. Mehrere Filme und Buecher steigerten seinen Bekanntheitsgrad und fuellten die Bankkonten der Beteiligten. Die Erinnerung an die Zeit der besetzten Nazihaeuser in der Weitlingstrasse, welche sich die Insassen durch Interviews mit der Presse finanzieren liessen, draengten sich foermlich auf.
Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung innerhalb der linken Szene stand das Umfeld Klaus Peters diesem erklaerten Ausstieg ausgesprochen skeptisch gegenueber. Die einfache, aber einleuchtende Logik, dass auch Hitler sich 1945 gefaelligst zu erschiessen hatte und nicht einfach einen Neubeginn machen konnte, war die uebliche Erwiderung auf Hasselbachs Ambitionen und Annaeherungsversuche an linke Gruppierungen. Die persoenliche Rechnung war nicht vergessen, dazu kamen viele schmerzhafte Erfahrungen wie dem Mord an Silvio Meier, den rassistischen Progromen, dem Anzuenden von tuerkischen Frauen und Kindern in Solingen, den Mordversuchen an Leuten aus dem naeheren Umfeld, die Entfuehrung und Bedrohung von Bekannten Klaus Peters und weitere Verbrechen, die eine Versoehnung mit den Faschisten und ihren Ex-Fuehrern unmoeglich machten. SIe brachten unsere Leute um, es konnte fuer sie keine Vergebung geben. Entsprechend unbarmherzig wurden die ueblichen Querfrontversuche, welche insbesondere aus dem linken buergerlichen Lager unternommen wurden, verfolgt. Aussteigerprogramme, welche den Ausstieg aus der Naziszene attraktiv gestalten sollten, galten als nachtraegliche Belohnung der Nazis.
Hasselbach selbst musste nach seinem Ausstieg, welcher der Naziszene offensichtlich glaubhaft vermittelt wurde, aus seiner Wohnung in der Lichtenberger Wotanstrasse ausziehen.
Er verbarg sich dort, wo er am wenigsten vermutet werden wollte: in Kreuzberg so36. In einem Lokal in der Naehe der Lausitzer Platzes speisten Klaus Peter und einige Freunde, als ploetzlich Ingo Hasselbach und eine Begleiterin das Lokal aus einem hinteren Teil heraus verliessen und in einen Hauseingang in der Naehe verschwanden. Klaus Peters Tischrunde war so ueberrascht, dass sie zwar die Verfolgung aufnahmen, allerdings nicht zu einem koordinierten Handeln faehig war. DIe Begleiterin eilte zurueck in das Restaurant und rief die Polizei. Der fluechtende Hasselbach stolperte auf der Treppe, waelzte sich im Dreck und jammerte um Gnade. Der Ex-Fuehrer von Berlin war eine ganz arme Nummer. In einem seiner vielen Buecher beschreibt er die Szene, wie er von angeblichen Schlaegertypen in Kreuzberg angegriffen wurde. Die Angestellten des Restaurants und die Anwohner_innen der Strasse wurden in den naechsten Tagen mit Flyern ueber die unwillkommende Nachbarschaft informiert. Hasselbach musste die Strasse verlassen und wohnte eine zeitlang unter aufmerksamer Beobachtung in Kreuzberg 61 im Bergmannkiez. Ein weiteres Indiz, dass der Ex-Nazi sich erfolgreich in alternativen Kreisen etablieren konnte und dort ihm dort mit offenen Armen Unterkunft und Unterstuetzung gewaehrt wurde. Ob es hier zu weiteren Zwischenfaellen kam, entzieht sich der Kenntnis des Autors. Angeblich lebt Hasselbach heute in Schweden als Filmemacher, hat Familie und Kinder.
Kein Vergeben, Kein Vergessen!