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Ein Trainingsziel, wie stolz das klingt
January 19, 2010
Koerperliche Aktivitaeten im neuen In-Bezirk sind schwerer zu organisieren als erwartet.
Meine digitale Anfrage bei Ex-Elixia in der Neuen Welt wurden schon durch einen unglaublichen unmotivierten Vetriebsaffenarsch mit bwl-englischer Taetigkeitsbezeichnung abgeschmettert, obwohl meine signature eigentlich auf Solvenz deuten koennte. Vermutlich aber zu wenig Solvenz oder der inkompetente Verkaufsversager von Holmes Place hat das gar nicht bis dahin gelesen. Doch beginnen wir von vorn.
Nachdem mein Vertrag bei Elixia Ostkreuz nach fuenf Jahren aus verschiedenen Gruenden auslief, bin ich auf der Suche nach einer neuen Heimstatt fuer koerperliche Aktivitaet, moeglichst unter meinesgleichen. Ein Freund des Kurses unter Aufsicht bin ich als ausgesprochener Individualsportler sowieso nicht, die Schwimmhalle habe ich maximal 2x im Jahr besucht, die Sauna noch seltener und das gesamte Rahmenprogramm der grossen Fitness-Family koennen sie sich mal gepflegt sonstwohin stecken. Alles Gruende, die den an Unverschaemtheit grenzenden Monatspreis fuer mich nicht rechtfertigen und einen Wechsel logisch erscheinen lassen.
Meine Ansprueche sind uebersichtlich: Laufband, Geraete,Sandsack,Parkplatz,nette Leute. So einfach bin ich gluecklich zu machen.
‘American Fitness’ in der 4. Etage vom Karstadt am Hermannplatz wirkt so, als koenne es diese Kriterien der Grundsportversorgung erfuellen. Der freundliche Manfred vereinbarte mit mir einen Termin zum Probetraining, welchem ich auch erwartungsvoll folgte. Ich war da, von Manfred fehlte allerdings jede Spur. Offensichtlich hatte er den Termin mit mir auf seinen freien Tag gelegt. Eine Kollegin uebernahm. Wir mochten uns nicht. Du kennst das ja sicher. Die ersten 30 Sekunden entscheiden. Und vermutlich war es so, dass ich keine die Trainerin befriedigende Auskunft ueber mein Trainingsziel geben konnte.
Dein Trainingsziel, das unbekannte Wesen.
Das ist ungefaehr so daemlich zu beantworten wie die Frage nach dem Lebensziel. Zum Sinn des Lebens gab es ein Buch in der DDR, was allerdings sehr wenig sinnvoll war.
Meine Trainingsziele sind eher philosophischer Natur, Selbsterfahrung bei den letzten 5km im Marathon, harter Punch wenn mir einer daemlich kommt, Bauch nicht ueber Badehose schwappend. Sowas eben.
Von da an wars jedenfalls versaut. Wir wurden keine Freunde mehr. Ich rannte brav 10 Minuten auf dem Laufband, machte ein paar langweilige Uebungen an Geraeten, die ihre besten Jahre auch schon hinter sich hatten. Ein knutschendes Paerchen nervte, Sandsack darf nur zum Kurs gehauen werden, nicht individuell. Dafuer gibt es einen Balkon, der kann in den Saunapausen besucht werden und die gesunde Luft vom Hermannplatz umspuelt den trainierten und gereinigten Leib. Qualitaet der Umkleide und Duschkabine verdienen das Praedikat ‘renovierungsbeduerftig’. Dieser Kulturschock im Elixia-Vergleich laesst sich selbst aus wirtschaftlicher Sicht nicht relativieren. Zum Monatspreis von 40 Euro kaemen pro Parkhausbesuch noch 1 Euro dazu. Ausserdem erschien ein Typ auf der Bildflaeche, welcher vor vielen Jahren zur Antifa-Fuehrungs-Clique gehoerte. Er machte zwar den wissenden Blick, erinnerte sich aber an das ausgesprochene Gruess- und Ansprechverbot. Was natuerlich eher symbolischen Charakter trug, wir hatten uns sowieso nicht soviel zu sagen.
Der Form halber diskutierte ich noch ein wenig ueber die Monatsgebuehr, ueber die aber nicht diskutiert werden soll. Der Preis ist als Festpreis zu verstehen. Und seltsamerweise wurde auch nicht versucht, mir einen Vertrag aufzudraengen. Im feinen Neukoelln kann man sich eben seine Kundschaft noch aussuchen. Und ich gehoere nicht dazu, das habe ich verstanden.
Wenn ‘Apollo East Fitness’ in der Rigaer mich nun auch nicht will, sehe ich mich schon zum Elixia zurueckkehren. Die Metapher von gepruegelten Hund habe ich deutlich vor Augen.
Der Mc unter den Fits
May 3, 2010
Den Hinweisen aus den Kommentaren vom letzten Fitness-Bericht folgend, war ich letzte Woche mal dort, wo jede/r preisbewusste Freizeitsportler_in vermutlich irgendwann ankommt: McFit, die Fabrik der proletarischen Koerperertuechtigung. Beim Anblick der wabernen Menschenmassen fuehlt man sich taetsaechlich an eine Fabrik erinnert. Um es vorwegzunehmen: Die Herren Doktoren Klitschko waren nicht da und einen Sandsack gibt es auch nicht. In den Genuss eines kostenlosen Probetraining zu kommen ist allerdings denkbar einfach. Ohne Termin und nervige Trainerbegleitung bedeutet das, einfach hinzugehen, die Frage nach Erfahrung im Umgang mit Fitnessgeraetschaften zu bejahen und dann sich unter die waberne Sportmasse zu mischen. Kontrolle oder Zeitbegrenzung gibt’s nicht. Was natuerlich die besonders sparsame Variante ins Spiel bringt, das nacheinander bei allen 20 oder 30 Mcfits in Berlin zu machen und dann wieder von vorn zu beginnen. Damit Du auch richtig merkst, dass Du Dich nun ganz unten in der Wertschoepfungskette der Koerpervermarktung befindest, musst Du ein Vorhaengeschloss mitbringen. Damit wird der Schrank verschlossen. Es geht also immer noch etwas primitiver, was ich nach American Fitness mit dem 60er-Jahre-Schranksystem eigentlich kaum fuer moeglich hielt. Verlierst Du den Schluessel oder streikt Dein Vorhaengeschloss, hast Du ein privates Problem. Support durch die Fabrik-Aufsicht ist neben kostenintensiven Schliesssystem-Schnickschnack somit auch direkt wegrationalisiert. Fuer Wertsachen gibt es uebrigens extra kleine und beaufsichtigte Schliessfaecher (noch ein Schloss mitbringen) direkt neben dem Eingang. Da an jedem zweiten Umkleideschrank der Hinweis haengt, Wertsachen nicht in diesen zu lassen, vermute ich einen ernsthaften Grund fuer diese Klau-Paranoia. Erfahrung im Umgang mit Fitnessgeraeten bedeutet bei mir uebrigens, ich weiss, dass ich irgendwo dran ziehen oder druecken muss, gucke mir an, was die anderen so machen und turne es nach. Eventuell lese ich mir noch den kleinen Zettel am Geraet durch. Die Auswahl an verschiedenenartigen Maschinen in der Fintnessfabrik ist allerdings sehr ueberschaubar, von allen Typen sind mehrere vorhanden. Da es gegen 19.00 Uhr sehr voll war, war gewisse Flexibilitaet im Ablaufplan noetig. Da ich kein richtiges Trainingsprogramm habe, reicht mir das aber. Als demografischer Ueberblick ueber die waberne Masse seien die Eckpunkte genannt: hoher Anteil Nichtdeutscher, hoher Frauenanteil, kaum Stresstypen, keine nervigen Paerchen. Also positiv, nicht unbedingt erwartungsgemaess. Es wird fleissig Sport getrieben und damit hat sich das. Sinnlose Kurse sind im Preis nicht inklusive, weil es einfach keine gibt. Duschen muss uebrigens extra bezahlt werden. In meinem Fall natuerlich ‘muesste’, da ich diese exzessive Koerperreinigung fuer eine kleinbuergerliche Marotte halte. Parken ist zumindest bei Mcfit am Moritzplatz direkt vor der Tuer ohne zusaetzliche Kosten moeglich. Es wurde uebrigens auch nicht versucht, mir irgendeinen Vertrag aufzudraengeln. Ich wurde das aber eher darauf zurueckfuehren, dass die Leute an der Fabrik-Aufsicht einfach den Ueberblick verloren haben. Ergo: Umgebungsvariablen im Verhaeltnis zum Preis stimmen, ich denke darueber nach.
Aufstand der Anstaendigen
July 11, 2010
Wenn sich gewoehnliche Deutsche zu Stammtischparolen zusammenrotten und ihrer Empoerung mal so richtig Luft machen, so muss der Anlass dazu nicht unbedingt ein neues Asylbewerberheim in der Nachbarschaft, erhoehte Mehrwertsteuersaetze oder gar ein verlorenes Spiel der Nationalelf sein. Auch so profane Gruende wie das Nichteinhalten der vorgeschriebenen Traufhoehe, der Bau einer maessig befahrenen Einbahnstrasse am Spreeufer oder gar ein neuer Zaun ueber den Trampelpfad reichen als Gruende voellig aus. Die Original-Berliner_innen von ‘Mediaspree versenken’ riefen am Sonnabend erneut zur Demo und zur Verteidigung der Reichshauptstadt gegen gierigen Investorenhaende. Vom Lautsprecherwagen wurde gewettert gegen die Scheindemokratie, die keine echte und auch gar keine direkte, allenfalls eine buerokratische und scheinbare ist. Ein unglaublicher Skandal! Diese Stadt muss gerettet werden! Gluecklicherweise empfindet das teilnehmende Publikum den dahingesudelten Gehirnduennschiss der wenigen Mediaspree-Aktivist_innen, deren rhetorisches Vorbild der Doktor Motte sein muss, allenfalls als stoerend und nervige Pausen der Technoparade. Da hilft nur: Gehirn ausschalten und mitlaufen. Das kann ich natuerlich gut.
yes, we can!
September 19, 2010
Hier wird ueberhaupt nichts verharmlost!
Auch Opfer des Linksextremismus sollen im starblog mal zu Wort kommen. Naemlich ich.
Statt sich damals um Familie, Karriere, Studium, New Economy, Grundbesitz und die mehr oder weniger lukrativen Stuetzen der buergerlichen Gesellschaft zu kuemmern, wuerde Dingen gefroent, welche landlaeufig im weitesten Sinne als Linksextremismus gelten koennten. Mein Leben ist also doch irgendwie gezeichnet.
Sollte sich dieses maessig durchdachte Lebenskonzept am Ende doch noch auszahlen?
Die Verlautbarungen der neuen Familienministerin Kristina Koehler lassen das zarte Pflaenzchen der Hoffnung spriessen, dass Praeventivmassnahmen gegen Linksextremismus in gesponsorten Aussteigerprogrammen und Foerdermitteln mit dem Fuellhorn verteilt muenden. Im weitesten Sinne koennte ich sicher auch in deren Genuss kommen, gibt es doch rechtsseitig der politischen Mitte auch mehrfache Aussteiger. Zugegebenermassen verwirren mich natuerlich diese vielen Fischers im Kampf fuer die bessere Welt auf Dauer. Aber sind wir mal ehrlich – kaeuflich ist so gut wie alles. Ein paar Foerdermittel locker gemacht und im starblog unterbleiben kuenftige Aufrufe zu groesseren Gewalttaetigkeiten.
Diese Woche hatten wir uebrigens noch keine, das sollte einen kleinen Vorschuss wert sein. Also her mit der Kohle! Und zwar reichlich!
from fischbroetchen to riches
September 20, 2010
Die Dame am Fischbroetchenstand steht komplett neben sich. Waehrend sie meine Bestellung, eins fuer 2,30 und eins fuer 1,80 (genaue Bezeichnung vergessen), aus der Box mit der Zange angelt, reisst sie ein drittes Fischbroetchen herunter. Fuer die Bedienung der elektronischen Wunderkasse benoetigt sie kollegiale Hilfe. Auf meine 10 Euro gibt sich 1,10 Euro heraus. Unnoetig zu erwaehnen, dass sich das alles im Schneckentempo abspielt. Ich, da hungrig und boese, maule sie an, dass da ja wohl noch etwas fehlt. Sie gibt mir noch einen Fuenf-Euro-Schein. Mein Herz ist gross. Ich weise sie darauf hin, dass es auch jetzt noch nicht stimmen wuerde. Sie feixt. Aus ihrem Gesicht lese ich deutlich: ‘Du Idiot’. Sie spricht weise und mehrfach:’ Es waere doch zu ihrem Vorteil gewesen’. Sie nimmt die 1,10 Euro wieder an sich, wirft sie in die Kasse und gibt mir 1,50 Euro zurueck. Ich bedanke mich und gehe. So gross ist mein Herz dann doch wieder nicht. Ich vermute, dass die Fischbroetchenverkaeuferin sich einfach nur der alternativen Mittelstandskundschaft in der Marheinekehalle in 61 angepasst hat. Hier wird vertraut und nicht nachgezaehlt. Geld spielt keine Rolle. Womit ich auch ausreichend Werbung fuer diese wunderbare Nebenverdienstquelle gemacht habe.
Fire To The Prisons!
November 29, 2010
Das Klima auch im November angenehm, die Haupstadt direkt am Meer, Oliven und Orangen ueberall, die Staatsfahne blau weiss – die Nordkiezprinzessin und ich haben sich mal das Land angesehen, welches ein Teil der Linken sehr mag und der andere weniger. Die Rede ist natuerlich von Griechenland. Um der Frage vorzubeugen, die ich heute schon mehrfach beantworten sollte: Ich weiss nicht, ob irgendetwas von der Rezession zu spueren ist. Der Grieche und die Griechin als solche wirken auf den oberflaechlichen Blick nicht sonderlich angeschlagen oder gar krisengeschuettelt. Ab und an gibt es irgendwas Ausgebranntes zu sehen und ueberall Polit-Graffitis, was durchaus als Indiz eines kuerzlich stattgefundenes Aufstands gewertet werden kann. Exarcheia oder Exarchia, der feuchte Traum deutscher Palaestinafreunde, ist allerdings selbst zu Nachtstunden eine Enttaeuschung fuer schaulustige Krawalltouristen wie uns. Klar ist: Wenn es da knallt, dann richtig. Die Strassen sind so eng und zudem zugeparkt, dass eine regulaere Berliner Bullenwanne dort gar keine Chance haette, ueberhaupt zum Ort des Geschehens vorzudringen. Es liegt auch an jeder Ecke dieser uebliche Athener Muellhaufen, die einen prima Feuerherd abgeben. Allerdings wirkt das verruchte Viertel kein bisschen gefaehrlich, sondern eher wie ein Abklatsch der Simon-Dach-Strasse oder der Gegend um den Kollwitzplatz. Und zwar in Mini-Ausfuehrung, da sich das ganze auf maximal 5 Gassen plus einem mittelgrossen Platz begrenzt. Auf diesem haengt dann auch ein anarchistischen Transparent in flottem Schwarzrot und die wichtigen Fuenfergrueppchen hocken tuschelnd in den Ecken. Letzteres kann ich mir uebrigens auch eingebildet haben. Aggressiv und klassenkaempferisch war allerdings nichts, zumindest nicht am Sonnabendabend. Sozialpartnerschaft machte sich breit. Aber das wird sich wohl nicht anders verhalten wie hier: Gibst Du den Anarchos einen Kiez, hat es sich was mit sozialer Umwaelzung. Sie kuscheln, sind zufrieden und benutzen nur noch Oekostrom von Lichtblick, werden Cafebesitzer mit fairem Handel oder ziehen in die Dachetage. Und damit schliesst sich der Bogen zur kuehnen Simon-Dach-Kollwitz-Metapher.