b.b.m.
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March 1, 2009
Als am 3. Oktober 1990 das alte Deutschland seine Auferstehung mittels Staatsvertrag besiegelte, waren es immerhin noch 15.000 bis 20.000 GegendemonstrantInnen, welche dazu in Berlin unmissverstaendlich ihre kontraere Meinung auesserten. Die Gruende hierfuer waren so vielfaeltig wie das Spektrum, welches sich kreuz und quer durch die Berliner Innenstadt hinter der Parole ‘Deutschland, nie wieder’ mit dem Konterfei der Antifaschistin Marlene Dietrich, in Bewegung setzte.
So richtete sich der Protest der Demonstration gegen neue Nazis, ein befuerchtetes Viertes Reich, die Annektion der DDR, Deutschlands Weltherrschaftsplaene, den Ausverkauf der volkseigenen Betriebe und noch gegen einiges anderes. Viele dieser Gruende von damals kann man mit dem Abstand der Jahre belaecheln, im Kontext der Zeit erschienen sie aber durchaus schluessig.
Ein Grossteil der DemonstrantInnen kam sicherlich aus dem autonomen Umfeld und wuerde heute leicht spoettelnd der Bewegungslinken zugeordnet werden. Dieses Spektrum definierte sich damals ohne Zweifel antinational und antideutsch. Die heutige Trennung zwischen Linksradikalen und Antideutschen existierte noch nicht, so riefen auch der Kommunistische Bund Westdeutschlands, Teile der Gruenen und Jürgen Elsässer zu der Gegenbewegung auf. Aus diesen Splittergruppen sollte das entstehen, was sich spätestens seit dem 1. Golfkrieg als ‘Antideutsch’ und proisraelisch etablierte und mit der heutigen Ansammlung aus Jungliberalen, Neokons, Kindersoldaten und Rassisten sehr wenig zu tun hat.
Klaus Peters einzige kontraere Meinungsaeusserung waehrend dieser Demonstration bestand darin, einen Leuchtstift waehrend der Abschlusskundgebung abzuschnippsen. Oder vielmehr zu versuchen. Dieser versagte seinen Dienst, was hoehere Fuegung gewesen sein muss, da im naechsten Moment eine groessere Anzahl Polizisten von hinten an Klaus Peter vorbeistuermte. Die Abschlusskundgebung wurde aufgeloest und die Westberliner Polizeifuehrung wollte ihre Staerke zeigen, da sie bereits wenige Tage vor dem Einheitsvertrag die Hoheit auch ueber Ostberlin, offiziell noch Hauptstadt der DDR, uebernommen hatte. Dieses Kraftbeweis ging einigermassen daneben und endete in Krawallen auf dem Alex bis spaet in die Nacht, brennenden Autos, gepluenderten Kaufhaeusern und vielen verletzten Beamten.
Ein spaeter ueber Interpol gesuchter Mann mit Trainingsanzug wurde zum gefeierten Held des Abends, da er allein mit einer Gerueststange an die Hintertuer eines Mannschaftswagens trat und herausstuermenden Polizisten am Ausstieg hinderte. Skandaloes und ausgeprochen aergerlich war, dass dieser Vorgang mit Hilfe von angeblich abgeschalteten Stasi-Ueberwachungskameras gefilmt und der Taeter spaeter ermittelt wurde. Es handelt sich um einen englischen Krawalltouristen, welcher bis dahin eher im Umfeld von Fussballspielen in Erscheinung getreten war.
Bereits am Abend zuvor hatte einige Gruppierungen aus dem autonomen Spektrum in Kreuzberg versucht, mit dem Aufbau des ‘grossen T’ ihre Meinung zu Deutschlands Einheit abzugeben. Das ‘T’ meinte die Kreuzung Oranien/Mariannenstrasse um den Heinrichplatz bis zur Adalbertstrasse, welche mit Verbringung von Gegenstaenden auf die Fahrbahn unpassierbar gemacht werden sollte, um sich dort aus anliegenden Geschaeften das zu nehmen, was der proletarischen Klasse sowieso und ohne Bezahlung zusteht. Allerdings war auch die Staatsmacht auf diese Art Zwischenfaelle ausgesprochen gut vorbereitet, so dass es nicht zum Aufbau ordnungsgemaesser Hindernisse kam. Mehrere Hundertschaften Polizei besetzten augenblicklich die Oranienstrasse und den Heini, ohne dass sich irgendetwas nennenswertes ereignet hatte. Klaus Peter konnte gluecklichweise in ein anliegendes Cafe fluechten. Waehrend die Beamten versuchten, die vom Personal von innen verschlossene Tuer gewaltsam zu oeffnen, gelang ihm durch den Hinterausgang und einige Hoefe erfolgreich die Flucht. Beim zweiten Anlauf wurde er aus einem VW-Bus heraus mit Hilfe eines Blitzlichts fotografiert, so dass auch dieser Versuch in die sprichwoertliche Hose ging.
Das lobenswerte Cafe gibt es heute nicht mehr, darum muss der Name zu Werbezwecken auch nicht erwaehnt werden. Dem Vernehmen nach wurde das ‘Grosse T’ einige Monate spaeter ausgesprochen erfolgreich in die Tat umgesetzt. Und wer erinnert sich eigentlich noch an Lothar de Maizière?
b.b.m.
October 20, 2009
Michael Czablewski (Name von der Redaktion leicht geaendert) besuchte gemeinsam mit Klaus Peter die Unterstufe einer Lichtenberger Polytechnischen Oberschule, welche neben einer starken musikalischen Ausrichtung auch die Freundschaft mit dem Bruderland Mongolische Volksrepublik als Schwerpunkt hatte. Im Gegensatz zu Klaus Peter gehoerte Czablewski jedoch nicht zu den Leistungstraegern sozialistischer Schulbildung, hatte []()allerdings einen Vater, welcher in der volkseigenen Trabrennbahn Karlshorst als Sulkyfahrer taetig war. So wurde er gelegentlich zur Attraktion, da die gesamte Klasse auf Grund dieser Beziehung Pferde fuettern und anfassen durfte.
Das rostige Hufeisen, welches Klaus Peter bei einem dieser Besuche geschenkt bekam, mit Silberfarbe strich und an die Wand nagelte, ueberdauerte die unbedeutende Bekanntschaft zu dem Mitschueler Czablewski. Viele Jahre geriet der Name Czablewski in Vergessenheit.
Zu neuer Bluete geriet er, als er als das autonome Dasein Klaus Peters als Namensgeber auf Formularen und in unzaehligen Telefonaten begleitete. In glorreicher Eintracht fungierte er mit Herrn Zeidler, Marvin de Souza und anderen Personen, die es nie gab und eine Gruppierung vortaeuschten, an denen nur wenige Eingeweihte ihren Spass haben konnten. Seinen spektakulaersten Auftritt hatte er als Rechtsanwalt Czablewski, als er aus einem Doenerimbiss mit verschiedenen Dienststellen der Berliner Polizei telefonierte, um den Aufentshaltort eines verhafteten Bekannten in Erfahrung zu bringen.
Letzte Woche, wieder nach vielen Jahren und einige Leben spaeter, begegneten sich Klaus Peter und Michael Czablewski kurz und unverhofft. Der zwischenzeitlich unterarmtaetowierte und mindestens zwei Meter grosse Czablewski bedient an einer Tankstelle und war nur durch das Namenschild am Dienstshirt zu erkennen. Klaus Peter bezahlte die Tankfuellung und ging, ohne sich zu erkennen zu geben. Was vermutlich auf Verstaendnislosigkeit gestossen waere.
Danke fuer alles, Czablewski!