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Wirtschaftsmotor Streik

March 13, 2008

Goldene Zeiten fuer Taxifahrer. Schonmal in den letzten Tagen versucht, ein Taxi zu bekommen? Ich schon, zum Beispiel gestern. Zuerst ewige Warteschlange beim Taxiruf, dann ewiges Warten aufs Taxi - Fahrer natuerlich trotzdem am Jammern ueber das unertraeglich schlechte Geschaeft. Unnoetig zu erwaehnen, dass es sich um einen stammdeutschen Droschkenkutscher alter Berliner Schule handelte. Und dann das Geheule wegen Kreditkartenbezahlung, vermutlich denken die, man muesse dann zwangslaeufig passend zahlen. Unglaublich, wie sich manche wegen erhofften 50 Cent Trinkgeld erniedrigen. Rueckweg mit einem Tuerken, welcher mir seine tolle Geschichte erzaehlte. Vor einem halben Jahr ist er mit seiner Familie von Berlin nach Izmir gezogen und kommt jetzt immer fuer einige Monate hierher, faehrt hier Taxi und verdient Geld. Ich vermute doppelte Staatsbuergerschaft, da er meinte, er haette den deutschen Pass, aber war 1 Monat in der tuerkischen Armee. Izmir ist sehr teuer, teurer als Berlin und die Izmirianer sind alle gegen die Kurden. Er nicht. Er meinte, die Kurden wuerden in armen Regionen wohnen, vergleichbar mit Mecklenburg-Vorpommern. Woraufhin ich fragte, ob dann die Ostler die Kurden Deutschlands seien? So koenne man das nun auch wieder nicht sagen, meinte er. Automieten ist ebenfalls fast unmoeglich. Letzte Woche versuchte ich mein Glueck, am Abend war gar kein Auto zu bekommen, unabhaengig von der Wagenklassen. Erst am naechsten Morgen und dann ein komplett anderes Auto, als ich bestellt und bezahlt hatte. Allerdings nicht zu meinem Nachteil. Natuerlich profitieren so auch die Tankstellen. Guenstige Gelegenheit, ein gebrauchtes Fahrrad vollkommen ueberteuert zu verkaufen. Ein echtes Strike-Bike unters Volk zu bringen, sozusagen. Zufaellig habe ich sogar noch eins, wenn ich nicht so furchtbar faul waere …

Erwin Geschonneck gestorben

March 15, 2008

Erwin Geschonneck stammte aus proletarischen Verhaeltnissen, ist Mitglied im Kommunistischen Jugendverband und im Arbeitersportvereins ‘Fichte’, ab 1929 ist er in der KPD organisiert. 1931 hat er einen ersten Auftritt in einer Nebenrolle im Film ‘Kuhle Wampe’. Zur Machtuebernahme der Nazis 1933 muss er aus Deutschland fliehen, ueber Polen gelangt Geschonneck in die Sowjetunion. Der sowjetische Geheimdienst NKWD verweist ihn 1938 des Landes, Geschonneck geht in die CSR. Dort wird er beim Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1939 verhaftet und in den Konzentrationslagern Sachsenhausen, Dachau und Neuengamme inhaftiert. Er ueberlebt den Angriff auf das KZ-Schiff ‘Cap Arkona’ in der Luebecker Bucht, welches 4000 KZ-Haeftlinge nach einem Todesmarsch aus verschiednenen Lagern deportieren sollte. Das Schiff wurde von den SS-Wachmannschaften nicht als Fluechtlingstransport gekennzeichnet und daraufhin von der britischen Royal Airforce fuer einen Truppentransport gehalten. Seine erfolgreichsten Rollen spielen in Filmen, welche sich mit dem Faschismus auseinandersetzen. 1974 spielt er im einzigen Film der DDR, der jemals fuer einen Oskar nominiert war, den Gegenspieler Kowalski zum Titelhelden “Jakob, der Lügner”. Einige Filme, in denen Erwin Geschonneck mitspielt, wurden in der DDR zensiert und verboten. Geschonneck bekleidete nie ein Parteiamt, ‘aus guten Grund’, wie er selbst meint. Am 12. Maerz ist Erwin Geschonneck, einer der erfolgreichsten Schauspieler der DDR, im Alter von 101. Jahren in Berlin gestorben.

fingers in the conne island

March 19, 2008

Wenn Leipzig-Connewitz einer der legendaeren Orte linksradikalen Bewusstseins ist, dass ist das ‘Conne Island’ sicher der Zenit des Antideutschen. Jener Ort, zu dem ich es trotz jahrelangen Bemuehens niemals schaffte. In Connewitz wurde ich Mitte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts lediglich in einen flotten Riot verwickelt, als die versammelte Antifaschistische Bewegung einen angekuendigten Naziaufmarsch verhindern wollte. Welcher natuerlich wie immer nicht kam, unnoetig zu erwaehnen. Stattdessen jagte der ortsansaessige Mob jugendlicher Antifas in spektakulaeren Szenen das gefuerchtete bayrische USK quer ueber den Platz, um anschliessend die Polizeifahrzeuge mit zusaetzlichen formschoenen und zudem sehr praktischen Luftloechern zu versehen. Also den tonfaschwingenden Einheiten, bei deren Auftauchen sich die harten Berliner Autonomen ueblicherweise ordentlich Pippi in die Buxe machten. Die Leipziger Jugend hingegen war sichtlich unbeeindruckt, vielmehr wirkte es so, als haette man nicht die leiseste Ahnung, wer da vor ihnen wegrannte. In diesem wunderbaren Moment der Befreiung bekam der ueberstrapazierte Terminus von der Heldenstadt Leipzig eine voellig neue Bedeutung, welche sich natuerlich kontraer zur eigentlichen, von Kurt Masur, Christian Fuehrer, Helmut Kohl und den anderen ekelhaften Protagonisten der deutschen Revolution von 1989 erdachten, verhielt. Long time ago, ich schweife etwas ab.

Legendaere Orte verdienen legendaere Bands. Der Auftritt der famous ‘Editors’ gestern Abend war nun auch fuer mich endlich ein guter Grund, das Conne Island zu be- und im woertlichen Sinne zu -suchen. Fuer den Ortsunkundigen ist das naemlich gar nicht so leicht zu finden, wobei mir auch einige Ortsansaessige, welche ich fragte, nicht wirklich hilfreich waren. Ausverkauft heisst hier auch wirklich ausverkauft und voll. Mein Parkplatz war etwas abgelegen, ich kam so 5 Minuten zu spaet und hatte sehr grosse Muehe, in den Saal vorzudringen, um die geliebten Stars um Tom Smith zu erblicken. Beim Vorruecken, wir erinnern uns an die ‘Raupen-Taktik’, wurde ich von einem Maedchen mit dem Ellenbogen bearbeitet. An dieser Stelle mal ein erzieherischer Einwurf: Liebes Konzertmaedchen, Du willst was sehen, ich will was sehen, alle wollen etwas sehen. Niemand will dir Boeses, ich sowieso nicht. Es gibt keinen Grund, mich mit Deinem Ellenbogen zu schlagen. Auch rein physikalisch ist das kompletter Unfug; Du bist halb so gross/schwer wie ich. Ich werde mich nicht in Luft aufloesen, wenn Du mich mit Deinem kleinen Ellenbogen haust. Irgendwann schaffte ich es, einen sehr schoenen Platz mit guter Sicht zu erwischen. Von dort bewegte ich mich dann auch nicht mehr weg. Zum Fotografieren war es allerdings etwas zu weit, die Buehnenbeleuchtung zudem recht dunkel. Was natuerlich fuer die Stimmung besser war, zudem hatte man auch nicht staendig diese nervigen Handyfotografen in der Sicht. Zum Konzert gibts nicht soviel zu sagen, es wurden viele Hits gespielt, einige andere fehlten. Mein persoenlicher Editors-Ueberhit ‘fingers in the factories’ kam, so dass ich auch in dieser Hinsicht komplett zufrieden bin. Tom Smith wie immer ausgesprochen carismatisch mit leichtem Hang zu Exzentrik. Also auch hier das, war ich erwartet hatte. Das ‘Conne Island’ hingegen hatte ich mir etwas kleiner vorgestellt. Es geht doch schon eher Richtung Postbahnhof, natuerlich ist der Background, welchen ich oben kurz anriss, ein ganz anderer und macht es schon darum um Laengen sympathischer. Wenn ich objektiv vergleichen muesste, haette ich sicher schon bessere ‘Editors’-Konzerte gesehen. Echten Fans fehlt allerdings jegliche Objektivitaet im Umgang mit ihren Favoriten. Und so bleibt es in meiner Erinnerung ein grossartiges und unvergessliches Konzerterlebnis.

Rennen gegen Deutschland!

April 1, 2008

Sonntag wird zum Tag der Schande. Wobei mich langsam, aber bestaendig und mit naeherueckendem Zeitpunkt staerker werdend, das Gefuehl beschleicht, dass durchaus die Moeglichkeit besteht, es koenne meine werden. Wie bereits mehrfach angekuendigt, tritt das Olifani-Team, welches nur aus einem Mitglied besteht ( Elite muss sein) in der unglaublichen Distanz des Halbmarathons an. Bereits kurz nach dem Start wird es einen kleinen Pferdefuss zu ueberwinden geben, geht es doch direkt durchs Brandenburger Tor. Doch halt, wir entsinnen uns: Auch Antideutschen ist diese Peinlichkeit bereits gelungen, demonstrierten sie doch durch selbiges. Dem ideologischen schwersten Teil folgt koerperliche Anstrengung im Bereich meines persoenliches Grenzbereiches. Doch welcher Triumph koennte folgen: Ein alter dicker Mann mit grauer Halbglatze, Bierbauch, Doppelkinn, Rueckenhaaren und allen weiteren Scheusslichkeiten des haesslichen Geschlechts deklassiert im Halbmarathon die Taeternation. Was fuer ein innerer Vorbeimarsch! Dafuer lohnt es sich! Wie hiess es doch im vorigen Leben (oder wars das vorvorige?) ‘ Haltet Euch fit fuer den Tag der Revolution’. Ich glaube, das war ungefaehr zu der Zeit, als auf Antifa-Demos noch ab und an gerannt wurde. Nunja, die Revolution laesst sicher noch etwas auf sich warten, aber flotter Schritt kann ja so auch ganz nuetzlich sein. Die letzten Vorbereitungen verlaufen planmessig: Viel Saccharide essen, letztes Lauftraining am vergangenen Sonntag locker absolviert, neue Laufsocken im Rinkcenta erworben, Schuhe 4 Wochen eingelaufen, ausreichend Schlaf bei gleichzeitiger Verlagerung des Tageshoehepunktes nach vorn, jeden Tag 2-3 Liter Wasser trinken und Gedanken um die Vordemlaufernaehrung machen. Toast mit Honig wird empfohlen oder irgendetwas leichtes, jedenfalls nichts, wovon man Durchfall bekommen koennte. Leuchtet ja auch irgendwie ein. Fuer manche mag der Hinweis wichtig sein, dass, so man denn auf Tempo laufen moechte, sexuelle Aktivitaeten 24h vor den Start nicht ratsam sind. Da es mir allerdings reicht, wenn ich ueberhaupt aufrecht ins Ziel komme und sexuelle Enthaltsamkeit die Norm ist, muss ich mich in dieser Beziehung nicht vorbereiten. Alkohol ist diese Woche natuerlich auch abgesetzt. Und ich vermute, naechste Woche auch, alldieweil ich das Glas nicht Richtung Mund bewegen kann. Zumindest nicht aus eigener Kraft.

day of disgrace

April 5, 2008

Windschnittigkeit oder Todesverachtung beim Berlin Half Marathon? Darueber denke ich heute schon eine geraume Zeit nach, soll ich morgen mit dem mittlerweile imposanten Vollbart starten? Wenn auch Du zu den zahlreichen Fans gehoerst, werde ich dich nicht nur durch meine herrliche Gesichtsbehaarung beeindrucken, sondern auch durch meinen grazilen und eleganten Laufstil. Wie ueberhaupt meine Gesamterscheinung ein wunderbares Schauspiel werden wird, gottgleich werde ich dem Ziel entgegenschweben. So hoffe ich zumindest. Ein ebenfalls ganz einzigartiges Schauspiel war bereits die gestrige Startnummernausgabe. Der veranstaltende SC Charlottenburg hatte sich den unglaublichen Marketingtrick einfallen lassen, diese auf einer Fitness-Messe im ICC stattfinden zu lassen. Ich vermute, dass alle Besucher dieser Messe auch Teilnehmer des Marathons waren. Synergien schaffen Neukunden-Umsatz! Es handelte sich naemlich um eine Messe fuer sogenannte End-Consumer und die Fitnessindustrie lockte diese mit zahlreichen Staenden in ihre Faenge. Auch ich habe kurz darin gezappelt, allerdings mit einem sehr trickreichen Kauf. Ich erwarb an einem Schnaeppchenstand ein Shirt des Marathons vom vorigen Jahr, welches nicht nur unglaublich preisguenstig war, sondern auch morgen den restlichen Teilnehmern die Illusion vorgaukeln wird, dass ich diese Strecke schon einmal gelaufen bin. Ueberhaupt der SC Charlottenburg: Vor einiger Zeit hatte ich mal den Plan, in diesem Blog eine Kategorie anzufangen und die Ueberreste des alten Westberlins, in dem die Welt noch in Ordnung und das Cafe Kranzler deren Nabel war, zu beleuchten. Neben dem KaDeWe, Hertha BSC, Brigitte Mira und dem Pfitze, Tempelhofer Schuetzenvereinen, dem Gripstheater, Molly Luft, Olympiastadion und Luftbrueckendenkmal haette der SC Charlottenburg auch einen besonderen Ehrenplatz verdient. Bereits die Nummernausgabe war von vielen freiwilligen Helfern und Helferinnen im ‘Icke-dette-kieckste-koofen-wesste-vastehste’-Style und dem Durchhaltewillen der ehemaligen Frontstadtbewohner stramm organisiert. Frauen und Maenner getrennt, alle tausend Nummern ein Stand, Tshirts hier, Chips da, Pasta nur mit Gutschein und Essen im Ambiente der nationalsozialistischen Erbsensuppenkueche. Zack Zack, so muss das gehen! Fehlten eigentlich nur noch Heimkehrer-Muetze und das locker intonierte Insulaner-Lied. Ob der Godfather of Ur-Westberliner, Hitlerjunge und Kommunistenkinderverpruegler Harald Juhnke Mitglied im SCC war, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber er haette seine helle Freude an diesen Vereinsmeiern, soviel ist sicher.

Nachtraegliches (meide das kalte Wasser!)

April 9, 2008

Wenn die vorne starten, heisst das noch lange nichts. Sortiert wird nach Erfahrung, ich habe keine und bin im Loserblock E. Wie eine Raupe setzt sich die Laeufermasse in Bewegung, nach 10 Minuten warten starte auch ich. Bin ich zu dick angezogen? Hollaendische Zuschauer winken mir und ich winke ihnen. Ich klatsche. Ich bin euphorisch. Ich bin das menschgewordene Adrenalin. Fehlt nur noch, dass ich das wunderbare Lied von der autonomen Antifa Marzahn anstimme. Das verkneife ich mir gerade noch so. Nach einigen hundert Metern ist es mir zu langsam. Ich starte durch. Die Sonne scheint, ich ueberhole hunderte. Das Schloss Charlottenburg muss ungefaehr die Haelfte sein, vermute ich. Schneller als erwartet bin ich da und fuehle keine Erschoepfung. Ploetzlich der erste Schock in Erscheinung eines Schildes. Bis hierher waren es 6 KM. Ich werde merklich langsamer. Tempo rausnehmen, sonst wird das nichts. Jetzt kommen die unangenehmen Zuschauer. Frauen warten auf ihre Maenner und rennen hysterisch schreiend und mit allerlei Laerminstrumenten mehrere hundert Meter neben ihnen her. ‘Papi, Du schaffst es - Dieter, du bist der Groesste’. Wie gut, dass Familie nicht peinlich ist. Kai rennt uebrigens fuer Deutschland, wie drei Pappnasen mit Deutschlandfahne auf einem Transparent verkuenden. Ich renne immer dagegen. Mein Ruf ‘Buh, verpisst euch’ irritiert sie etwas. Vermutlich verstehen sie das aber nicht. Der Punkt, an dem Getraenke gereicht werden, sieht aus wie Sau. 20000 Plastebecher liegen auf der Strasse. Kinderhaende werden vom Rand in den Weg gehalten, man soll abklatschen. Migrantische Kinder werden von mir abgeklatscht und freuen sich, deutsche Kinder koennen stehen, bis der Arm abfault. Aber ich renne ja nicht allein. IrgendeineR von den anderen 24000 wird sich schon erbarmen. Der zweite Erfrischungspunkt, ich trinke wieder kaltes Wasser. Es geht den Kudamm lang, entmenschte Zuschauer schreien meinen Namen ( steht auf der Startnummer) und dass ich es schaffen wuerde. Weiss ich selbst. Also ich hoffe es zumindest. Man klopft mir auf die Schulter. Langsam hasse ich das Publikum. Der boese Fehler Wasser rumort in meinem Magendarm-Bereich. Nichts geht mehr. Soll ich aufhoeren? Ich laufe eine Weile und verliere natuerlich Zeit. Nach ca. 500 Meter renne ich wieder. Am naechsten Getraenkehotspot trinke ich lauwarmen Tee. Der Magen beruhigt sich, ich kann weitermachen. Eine einsame Frau protestiert gegen die Kohlekraftwerke von Vattenfall, dem Sponsor des Laufes. Was habe ich damit zu tun? Keine Ahnung. Andere Verwirrte nutzen die Gunst der Stunde und treten mit Tibetfahne an der Bekleidung auf. Was dem Antiimp der Palaestinenser, scheint dem Hippiejogger der Tibeter zu sein. Auf der Leipziger Strasse bin ich wieder fit. Den letzten Kilometer fast im Sprint mit einer Spanierin zusammen. Ich versuche, eine daenische Fahne von einer Zuschauerin zu greifen, weil ich es fuer eine prima Idee halte, mit dieser durchs Ziel zu rennen. Sie gibt die Fahne aber nicht raus. Nun gut, dann eben ohne Fahne. Durch ist durch. Mein naechster Start ist am 29.06. zum Airport-Halbmarathon.

So nicht!

May 3, 2008

Hartnaeckig haelt sich die story, am 1. Mai wuerden in Berlin Steine fliegen, Autos brennen, Polizisten sterben, kleine Ladenbesitzer an den Rand des Ruins getrieben und noch so allerlei tolldreiste Escapaden veranstaltet. The fantastic Wonderland, in dem sich dies alles zutragen soll, ist seit dem Bolletag 1987 das gefaehrliche Sechsunddreissig Kreuzberg Thirtysix. Generationen von Neuberlinern wurden seitdem die wildesten Abenteuer ueber diesen Tag erzaehlt und diese haben sich dann je nach Duktus entweder am Tag der Arbeit, welcher auch in Kreuzberg seit 1933 als Feiertag begangen wird, Richtung Heinrichplatz oder ganz weit weg davon begeben. In jedem Fall haben sie diese Geschichten aber weitergetragen und die naechste Generation der Neuberliner tat es in ihnen im naechsten Jahr gleich. Die Wahrheit sieht freilich etwas anders aus. Wissen wir doch alle, dass ein feiger Flaschenwurf auf den Asphalt der Oranienstrasse und ein brennender Papierconti ausreicht, um ein neues Kapitel zum Maerchen ‘Kreuzberger Maikrawalle’ jedes Jahr hinzuzufuegen. Und jedes Jahr aufs Neue ist es danach der ‘ruhigste erste Mai seit Jahren’. Schockierten Hinterprovinzlern reicht ein groehlender Punkermob zum panischen Kommentar: ‘Das ist wie im Krieg’. Ist es nicht. Eine wunderbare Geschaeftsidee uebrigens von dem jungen Mann im Anzug und der Deutschlandfahne am Revers, welcher diese Aengste in bare Muenze umsetzen wollten und am 1. Mai um 22.30Uhr auf der Skalitzer Strasse Versicherungen verkaufen moechte. Deutschlandfahne uebrigens recht festsitzend, habe ich kurz ueberprueft. Wieso er allerdings ausgerechnet mich anspricht, dass mir in dieser gefaehrlichen Gegend doch die Zaehne ausgeschlagen werden koennten und diese auch bezahlt werden muessten, gibt mir zu denken. Habe ich mich doch bisher immer fuer recht wehrhaft gehalten. So nicht!

Tropical Island

May 12, 2008

Folgten die Veranstalter des Karnevals der Kulturen bei der Verteilung der Staende einer demographischen Erhebung, so koennte man glauben, die nichtdeutsche Bevoelkerung Berlins besteht ausschliesslich aus ausgeflippten Suedamerikanern, groovigen Karibianern und bongotrommelnden Afrikanern. Einen tuerkischen Stand konnte ich beispielsweise nicht entdecken. Was ich allerdings auch ausgesprochen clever von den tuerkischen Berlinern finde, diese Mischung aus Oktoberfest und Gruener Woche Fressmeile kann man eigentlich nur meiden. Also nicht, dass ich die beiden genannten Veranstaltungen schon besucht haette, aber man hoert ja so einiges. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit sah es nicht nur aus wie Sau, sondern die ersten Trunkenbolde bekommen sich ins Hauen. Was wiederrum einen Einsatz der Staatsmacht zur Folge hat. Nunja. Nach meinem ueberraus peinlichen Kontrollverlust am 8. Mai vorm NBI muss ich ohnehin jeglichen Kontakt mit dem Teufel Alkohol fuer die naechste Zeit meiden. Etwas ueberproportional vertreten auf dem Karneval auch die Gruppe der Berliner Exiltibeter und Staende, an denen original tibetische Waren feilgeboten wurden. Das waere uebrigens eine tolle Geschaeftidee: Einfach bei der Metro eine Grosspackung Raeucherstaebchen kaufen, umetikettieren und an Ebay-Hippies teuer verticken. Klappt mit Sicherheit. Die allgegenwaertige Fahne des Dalai Lama haengt nun auch aus dem Haus, in dem ich sehr kurze Zeit besetzte. Haette man das damals so gewusst, waere eine provozierte polizeiliche Raeumung sicher eine charmante Variante der Berliner Linie gewesen.

Mojito o Muerte

June 15, 2008

Wenn ich gross bin, trete ich in irgendwas ein und mache einen Stand auf dem Pressefest des ‘Neuen Deutschland’. Man sollte sich vorher ueber die aktuellen Lieblingsstaaten erkundigen und dementsprechend orientieren. Dieses Jahr wuerde man mit Kuba, Venezuela und Irak gut im Trend liegen. Daneben noch einige Staende mit entsprechenden Buechern, Dritte-Welt-Projekte und die unvermeidlichen Ost-Produkte. Weils ja so schoen war und alles auch so gut schmeckte. Nach der zweiten Runde entdeckte ich zu meinem Unglueck einen Stand, welcher von einer Initiative betrieben wird, die Geld fuer den Aufbau einer Schule in Kuba sammelt. Was an sich eine prima Sache ist, wenn auch die Bilder auf der Schautafel von stramm stehenden Schuelerinnen mich etwas an meine Schulzeit im Sozialismus erinnerten. Das tatsaechliche Unglueck war allerdings, dass ich mir an diesem Stand einen der ausgesprochen leckeren Solidaritaets-Mojitos reichen liess. Dem Alkohol ebenso zugeneigte LeserInnen wie ich kennen das, faengt man erstmal an, wird es zuegellos und oft albern. Ich trank demensprechend auf den Sozialismus, auf den Genossen Fidel Castro, spaeter uebernahm ich die Initiative und es wurde gegen Deutschland angestossen oder fuer den Kommunismus. Das kam jetzt nicht bei Allen so richtig gut an, zu diesem Zeitpunkt war allerdings die Schwelle schon ueberschritten, an der mich das gekuemmert haette. Ich verlor eine Wette mit einer aelteren Dame, welche offensichtlich ein Groupie von Hans Modrow war, ich schaetzte das Alter des Genossen falsch und musste ihr einen Mojito ausgeben. Ich lernte die ausgesprochen attraktive Steffi kennen, welche mich vermutlich nicht ganz so attraktiv fand. Ausserdem bekam ich Wissenswertes ueber die Genossen in China erklaert, die ganz raffiniert das internationale Kapital zu Gunsten des Volkes ausnutzen. Rainer Eppelmann und die CIA haben die DDR zugrunde gerichtet und Brandenburger Tomaten sind die Besten. Einen Typen mit Schwarzrotgold-Kette musste ich zunaechst muendlich ermahnen und vom Stand vertreiben. Wo ich mich betrinke, kann kein Platz fuer Deutschland sein. Als ich diesen 5 Mojitos spaeter am Stand der PDS-Antifa anfiel, wurde er von den Linken sehr energisch verteidigt. Man koenne ja auch ueber Deutschland reden und diese Dinge. Komplett an mir vorbeigegangen ist der angekuendigte Auftritt von ‘Die Bandbreite’, allerdings haette ich das auch nicht mehr gefunden. Ich nahm noch an einer Umfrage einer Initiative gegen Abschiebung teil, allerdings im hinteren Teil des Umtrunks. Ich lallte dort etwas von voelkischem Konsenz der deutschen Mehrheitsgesellschaft oder so und dass die PDS-Basis als Teil dieser rassistisch sei. Den Fragebogen, ich sollte dort darstellen, was fuer mich Heimat bedeutet, konnte ich nicht mehr selbst ausfuellen und benoetigte Hilfe. Strafverschaerfend kommt hinzu, dass ich mir ueber den Heimatbegriff noch keine Gedanken gemacht hatte und die Frage auch im nuechternen Zustand eher seltsam finde. Immerhin gibt es eine tolle Reise nach Bruessel zu gewinnen, ich denke, meine Chancen sind gut. Das Spektakel gibts uebrigens auch heute noch in der Kulturbrauerei zu besichtigen. Prima Mojitos und lustige Unterhaltungen aus der alten Welt.

Deutsches House

December 13, 2008

Auf dem Weg zur Heinrich Boell Stiftung laeuft im Radio der Bericht ueber irgendeinen Abgeordneten in einem ostzonalen Landkreis. Wird beschuldigt, sich pornographische Abbildungen mit Kindern auf den Computer geladen zu haben. Der Taxifahrer dreht lauter. Das Thema interessiert ihn. Er fragt mich, ob denn das schon strafbar sei. Man koenne ja auch mal zufaellig auf ’solche Seiten’ kommen. Ich meine, man komme nicht ‘zufaellig’ auf solche Seiten und ja, Besitz ist strafbar, auf dem Computer speichern ist Besitz. Der Taxifahrer hat ja keinen Computer. Aber sei denn Neugier strafbar? Und woher kommen ueberhaupt diese abartigen Neigungen? Kinderpornos sind ja fast so schlimm wie zwei Maenner, die Sex miteinander haben. Ich werfe ein, dass Sex unter Maennern kein bisschen schlimm sei und noch so einiges anderes. Er mustert mich im Rueckspiegel. Ich sehe foermlich, wie der Kopf arbeitet. Kann der Typ vielleicht sogar schwul sein?

Im Scheunenviertel scheint er sich gegen diesen furchtbaren Gedanken entschieden zu haben und erzaehlt mir, wie er im Osten immer in ‘Klaerchens Ballhaus’ gewesen ist. Tischtelefone, schlechte Musik, Menschen weit jenseits des besten Alters, Du weisst Bescheid. Ich mime mal den Ahnungslosen, das kann ich sowieso am Besten. Also wenn er da nachts rauskam aus dem Ballhaus, sah es so aus, als waere der Krieg gerade zu Ende gewesen. Alles zerfallen. Der Grund liegt natuerlich auf der Hand: Ueberall hatte der Jude seine Haende mit im Spiel und die DDR durfte nicht sanieren. Das sieht man jetzt auch immer noch an diesem oder jenem unsanierten Gebaeude, der Jude gibt das nicht raus und neue Investoren scheuen dann logischerweise die Immobilie. Ich konzentriere mich, dass er auch die Hausnummer 8 findet, was leider nicht auf Anhieb klappt. Das Niveau, welches mir Diskussionen ohne Beleidigung jeglichen Intellekts erlaubt, ist deutlich unterschritten. Ruhig sein oder reinschlagen. Ich entscheide mich fuer Schnauze halten, Anzugtypen pruegeln sich nicht.

Der schleichende Tod hat die Gruene Partei im Griff. Deutliche Ueberalterung, niemand unter 40-50+ in der Heinrich Boell Stiftung. Ich fuehle mich wohl. Tolerante Personen in meinem Alter. 2000 Watt pro Person ist das Ziel, momentan sind es 6000. Stolz zeigt man mir das Rechenzentrum, dessen Abwaerme zum Heizen des Gebaeude benutzt wird. Einwurf an die Nerdabteilung: Das, was dort als RZ bezeichnet wird, ist ein Raum von ca. 15 qm, in welchen sich neben einigen ueberalterten Compaq-Geraeten eine emc clariion mit 2 Erweiterungen befinden. Also nix. Bei Stromausfall reicht das noch 20 Minuten. Hoffentlich versiegt der Oekostrom nie. Es wird viel erzaehlt ueber den Anfang der Gruenen, die Buergerrechtsbewegung der DDR und am meisten ueber Geld. Geld fuer okoelogische Baustoffe, die Luftzirkulation durch das Atrium, den Demokratieexport in die Welt, fuer teuren Wein und gutes Essen, mit dem ich bei Laune gehalten werde. Wenn das die Petra Kelly wuesste.

Hoch und wieder runter

December 7, 2008

Gibs doch zu, Du wartest schon. Eine Frage quaelt Dich den ganzen Sonntag:

Ist er gerannt?

Der Adventslauf, veranstaltet von einem Laufausstatter , unterscheidet sich deutlich von den Laeufen des SCC Charlottenburg. Es gehen weniger Laeufer_innen an den Start, diese wirken allerdings deutlich elitaerer, was sich auch an den Endzeiten ablesen laesst. Trainierte Koerperlichkeit, verhaermte Gesichter, entschlossener Habitus, man kennt sich, man gruesst sich. Dazwischen ich. Der weibliche Teil meiner Laufgruppe ist krankheitsbedingt zum Zuschauen verdammt, der Frauenanteil ist viel hoeher als bei den SCC-Laeufen. Es gibt auch keinen Extra-Lauf fuer Laeuferinnen wie dort, was ohnehin eine seltsame Regelung ist. Meine etwas grossspurige Ankuendigung in kurzer Hose zu starten habe ich heute morgen nach einer kleinen Inspektionsrunde auf dem Balkon revidiert, immerhin zur Kurzaermligkeit hat es gereicht. Keine ueberfluessige Musik vor dem Start, es wird nicht rumgealbert, disziplinierte Aufstellung und direkt los ohne Ansagen. Auf in den Gatower Forst ueber 8,8 km. Wirkt erstmal nicht viel. Nach der ersten Kurve wurde mir allerdings direkt klar, was diesen Lauf zu einem besonderen Erlebnis macht:

Im Gegensatz zur flachen SCC-Strecke um den Grunewald sind hier mehrere wirklich steile Anhoehen zu passieren. Eine direkt nach dem Start und eine weitere vor dem Ende der Runde, die zweimal durchquert werden muss. Dazwischen viele kleinere Huegel, die den Lauf fuer einen Berliner Strassenlaeufer zu einer echten Strapaze machen. Am Gipfel der zweiten Anhoehe wurde mir tatsaechlich schwarz vor Augen, runter gings dann von allerdings fast von allein. Zu meiner Ehrenrettung sei bemerkt, dass viele Laeufer_innen den Anhoehen nicht rennend passierten, sondern anhalten mussten.

Gluehwein gabs uebrigens umsonst, so dass es mit der absoluten Abstinenz bis Mai wieder nichts geworden ist. Einen Laufkumpel hab ich auch gefunden, heisst Peter und war lange Zeit mein Tempomacher. Gelernt habe ich auch, dass echte Laufprofis niemals Asics-Bekleidung tragen, weil das albern ist (oder so). Abschliessend bin ich mit einem Platz im vorderen Drittel des Feldes und einer Zeit, die deutlich unter der beim SCC-Lauf liegt, zufrieden.