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unvergessen
November 18, 2005
Eben beim Fruehstueck im ‘wahrhaft nahrhaft’ (Boxhagener Strasse 121, wie immer super) lese ich, dass morgen die jaehrliche Silvio Meier Demo stattfindet. Ich nahm das zum Anlass, mal wieder etwas intensiver ueber Silvio nachzudenken. Wir wohnten eine zeitlang zusammen im selben Haus und gingen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt den selben Weg. Im Gegensatz zu mir kam Silvio aus der DDR Opposition, als ich 1989 zum ersten Mal Silvio wahrnahm, gehoerte er fuer mich irgendwie zu den ‘Grossen’. Als wir spaeter zusammenwohnten, gab es oefter Reibungspunkte, da er und auch ich gern die Macher waren und oft unterschiedliche Meinungen hatten. So entsinne ich mich, dass er mich und andere oefter zur Maessigung aufrief. Silvio war sicher kein Pazifist, er war jedoch deutlich liberaler und auch einige Jahre aelter als ich. Als seine Freundin schwanger wurde, zog er sich spuerbar zurueck. Zu dieser Zeit wohnte ich jedoch schon nicht mehr in dem Haus, war jedoch sehr haeufig dort und bewegte mich in dem Umfeld. Die Nacht der Geburt habe ich mit zwei Freunden in der Kueche und auf dem Hof zugebracht um schliesslich irgendwann morgens auf eine Leiter zu klettern und mit roter Farbe ‘Villa Felix’, der Name des Sohnes, ueber die Eingangstuer zu malen. Manche nennen das Haus wohl heute noch so. Den Tag, an dem Silvio Meier ermordet wurde, werde ich nie vergessen. Mit einigen Freunden war ich einkaufen, es war Sonnabend. Einkaufen nannten wir es, nunja, Ladendiebstahl waere der korrekte Begriff. Danach wollten wir noch im Cafe Alibi in der Oranienstrasse einen Kaffee trinken, ein Freund wartet dort auf uns und erzaehlt uns die unglaubliche Nachricht. Silvio ist tot. Ohne zu wissen, was wir eigentlich da wollen, sind wir nach Friedrichshain gefahren, gespenstische Ruhe in der Villa Felix. Die naechsten Wochen verbringe ich hauptsaechlich damit, mich mit um die beiden Begleiter Silvios zu kuemmern, welche im Krankenhaus liegen. Ich versuche, verschiedene Demos mitzuorganisieren, von denen eine in der Lichtenberger Marktstrasse von den Bullen vollkommen zusammengeschlagen wird. Diese Tage haben mich veraendert. Die Jagd auf vermeintliche und tatsaechliche Faschisten gewinnt einen neuen Stellenwert, niemals sollte sich so etwas vor unserer unmittelbaren Haustuer wiederholen duerfen. Die letzten Nazis verlassen fluchtartig unseren Bezirk, um erst viele Jahre spaeter zurueckzukehren. Beim Besuch in der Charite bei unserem Freund, welcher im Koma liegt, schwoeren wir Rache an den Taetern zu nehmen. Nichts von alledem wird passieren, Zeit heilt alle Wunden. Vergessen werde ich das nie.
Ich nahm noch nie an einer Silvio-Meier-Demo teil, das wird sich auch in diesem Jahr nicht aendern.